Dokumentation
Aufzeichnungen
Eröffnung des Tu was, Hamburg!-Kinder- und Jugendhilfegipfels am 4.4.2025 durch Fabienne von Hohenthal und Sinah Mielich:
Input von Prof. Dr. Michael Klundt (Hochschule Magdeburg-Stendal) zum Thema „Die Verschärfung der sozialen Ungleichheit und Auswirkungen auf das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen“ (Moderation: Matthias Stein (LAG KiJu):
Präsentationen / Vorträge / Berichte:
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- Basement e.V.: „Der Prozess zu einem selbstorganisierten und ehrenamtlich gestalteten Jugendcafé“
- Kerstin Kubisch-Piesk: „Einmischen für die Kinder- und Jugendhilfe und den Kinderschutz“
- Wolfgang Hammer: „Warum wir nicht so weitermachen dürfen wie bisher! Plädoyer für einen Paradigmenwechsel in der Kinder- und Jugendpolitik“
- Bericht aus dem Workshop „Prekäre Arbeitsbedingungen in der Kinder- und Jugendhilfe und Herausbildung eines gemeinsamen Berufsverständnisses“
- Protokoll Workshop 3: Nachhaltige und vorausschauende Finanzierung vs. Schuldenbremse
- Bericht über den Kinder- und Jugendhilfegipfel in der Juli-Ausgabe des „Bienenkorb – Nachrichten aus der Patriotischen Gesellschaft von 1765“, S. 2
- Matthias Stein: Tagungsbericht „Tu was! Hamburg“, in: Gilde Rundbrief 3_2025 auf den Seiten 73-77: https://doi.org/10.25366/2025.152
Podiumsdiskussion:
Wie soll die Kinder- und Jugendhilfe weiterentwickelt werden? Wie gelingt der Ausbau von Beteiligungsmöglichkeiten und Selbstorganisation Jugendlicher? Wie sehen wirkungsvolle Schritt zur Bekämpfung von Kinderarmut aus?
Mit: Dr. Dirk Bange (Sozialbehörde), Anja Post-Martens (VKJH), Ronald Prieß (AK Kinder, Jugend und Bildung der Patriotischen Gesellschaft von 1765 e.V.), Katharina Protz (ver.di), Klaus Wicher (SOVD), Moderation: Prof. i.R. Dr. Michael Lindenberg
Bericht vom Zweiten Kinder- und Jugendhilfegipfel unter dem Motto „Tu was, Hamburg!“ am 4.4.25
Am 4. April 2025 hat der 2. Kinder- und Jugendhilfegipfel in Hamburg stattgefunden. Aufgerufen hatte das Bündnis „Tu was, Hamburg!“, bestehend aus diversen Landesarbeitsgemeinschaften und Verbänden der Kinder- und Jugendhilfe (LAG KiJu, LAG ASD), den Fachabteilungen der Gewerkschaften ver.di und Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Landesverband Hamburg (GEW), dem AK Kinder, Jugend und Bildung der Patriotischen Gesellschaft von 1765, dem Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH), dem Sozialverband (SoVD) Hamburg und dem FASD Fachzentrum sowie Einzelpersonen und Einrichtungen aus der gesamten Jugendhilfe.
Auf Einladung des Arbeitskreises Kinder, Jugend und Bildung der Patriotischen Gesellschaft konnte der Gipfel in deren großen und zentral gelegenen Räumlichkeiten tagen. Erneut war die Veranstaltung sehr gut besucht. Über den ganzen Tag wurden rund 180 Teilnehmer:innen aus allen Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe, diverse Vertreter:innen der Sozial- und Fachbehörden sowie Aktive aus Wissenschaft, Gewerkschaften und Politik gezählt.
Vor dem Hintergrund des gegenwärtigen massiven Aufrüstungsprogramms, einer neoliberal geprägten Steuerung der Jugendhilfe und der Fortexistenz der Schuldenbremse werden gegenwärtig insbesondere die Bereiche der Sozialen Arbeit/Jugendhilfe ausgeblutet, die auf Verfügungserweiterung und demokratische Persönlichkeitsbildung ausgerichtet sind.
Auf dem 2. Gipfel gab es viel Raum dafür, die aktuellen Zuspitzungen zu beraten, zu diskutieren und die auf dem 1. Jugendhilfegipfel im Mai letzten Jahres aufgestellten Forderungen zu diskutieren.
So wurden Ergebnisse von Studien zur „neuen Kälte in der Jugendhilfe“ – verletzendes Verhalten von Fachkräften aufgrund prekärer Arbeitsbedingungen – und zu den Ursachen und Auswirkungen der Armut von jungen Menschen vorgestellt. Aktive aus selbstorganisierten Vereinen wie First Contact e.V., der mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen arbeitet, oder Basement e.V. stellten ihre Arbeit vor und forderten besser organisatorische und finanzielle Rahmenbedingungen für ihre wertvolle ehrenamtliche Arbeit. Der Fanladen St. Pauli und das HSV-Fanprojekt diskutierte mit Beschäftigten aus der Kinder- und Jugendhilfe und der GEW über das Recht auf Zeugnisverweigerung und vereinbarte weitere Kooperation. Der Jugendverband Sozialistische Jugend – Die Falken stellte Ansätze der Friedenspädagogik zur Diskussion und machte deutlich, wie relevant internationale Jugendaustausche im Kontext Krieg und Frieden sind und wie prekär sich die Rahmenbedingungen dafür derzeit darstellen.
Neu war auf dem 2. Kinder- und Jugendhilfegipfel, dass nach der Vertiefung in der Workshopphase eine Vollversammlung der Aktiven stattfand. Dort wurde die Erklärung „Kinder- und Jugendhilfe kann nicht neutral sein – sie muss sich positionieren! Zum Neutralitätsgebot als Disziplinierungsinstrument“ verabschiedet – als Antwort auf die schriftliche kleine Anfrage mit dem Titel „Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ der CDU/CSU-Fraktion.
Auf dieser Grundlage haben wir uns über die verschiedenen Aktivitäten informiert, die seit Mai 2024 organisiert wurden. Es wurde deutlich, dass die Aktiven vielerorts auf Grundlage ihrer Kritik an der aktuellen Kinder- und Jugendhilfe bzw. ihren Rahmenbedingungen an Alternativen arbeiten. So wurde das Projekt „Wohnungen für Straßenkinder“ vorgestellt und über die bisherige Diskussion mit der Sozialbehörde und vielen Interessierten informiert. Mit dem damit verbundenen Konzept eines Wohnungspools soll verhindert werden, dass Jugendliche künftig direkt aus einer Wohngruppe in die Obdachlosigkeit entlassen werden – wie es bisher häufig der Fall ist – und soll einen Beitrag zum Ziel der Beendigung von Obdachlosigkeit bis 2030 leisten. Thema war auch die Stadtteilgenossenschaft Horn, die aktuell das Ziel verfolgt, lebensweltfern untergebrachte Kinder und Jugendliche zurück in ihren Stadtteil zu holen und dort in Kooperation mit allen Beteiligten förderliche Bedingungen des Aufwachsens zu realisieren. Dieses Vorhaben steht in deutlichem fachlichen Kontrast zu der vom Senat geplanten teilgeschlossenen Einrichtung „Casa Luna“ im Hamburger Stadtteil Großborstel.
Der Gipfel endete mit einer Podiumsdiskussion mit Anja Post-Martens vom Verband Kinder- und Jugendarbeit, dem Amtsleiter Dr. Dirk Bange, dem Botschafter für Straßenkinder Ronny Prieß, Katharina Protz von ver.di und Klaus Wicher vom SoVD. Zur Debatte stand die Finanzierung der Kinder- und Jugendhilfe, die vielerorts noch nicht einmal den Bestand sichert, sowie die These, dass die Grundsätze demokratischer Beteiligung und politischer Bildung der Kinder- und Jugendarbeit richtungsgebend für die gesamte Jugendhilfe sein müssen. Das Podium sowie im Weiteren auch das Plenum diskutierte solidarisch und streitbar und sammelte konkrete Vorhaben, die auf den weiteren „Tu was, Hamburg!“-Treffen bearbeitet werden sollen. Das Bündnis „Tu was, Hamburg!“ fordert weiterhin eine öffentliche Anhörung „Jugendhilfe“ im Familienausschuss und wird dafür in den nächsten Wochen und Monaten Druck machen.
Die Sammlung weiterer Vorhaben und Forderungen findet sich anbei.
Die zentralen Elemente der Veranstaltung wurden aufgezeichnet und werden auf der Seite von „Tu Was, Hamburg!“ veröffentlicht werden. Medienvertreter:innen von Tide, dem NDR und der Hamburg-Redaktion der taz begleiteten die Veranstaltung und auch bundesweit hat die Tagung Resonanz gefunden.
Festzuhalten ist, dass man für Hamburg durchaus von einer jugendpolitischen Bewegung sprechen kann. Wir werden daran arbeiten, sie weiter auszubauen!
Weitere Ergebnisse:
- Es soll weiter an einem gemeinsamen Berufsverständnis gearbeitet werden. Dazu soll in Kooperationen von Trägern gemeinsame Kompetenz gebündelt werden. Neue Modelle von Organisation wie Sozialgenossenschaften sollen aufgebaut und gefördert werden. (Die Sozialgenossenschaft Horn wurde als Beispiel auf dem Gipfel genannt.) Zudem soll es weitere Stadtversammlungen nach dem Vorbild der Versammlung von ver.di am 20. Februar in der Hauptkirche St. Katharinen geben.
- Formen der Selbstorganisation von Kinder und Jugendlichen sollen auf der Grundlage des § 4a SGB VIII auf Antrag verbindlich gefördert werden. Dazu braucht es Budgets für die sieben Bezirke.
- Die begonnenen Gespräche der Fachbehörde mit dem Verband Kinder- und Jugendarbeit (VKJH) zur Verbesserung der Lage in der Offenen Arbeit sollen in regelmäßigen Abständen fortgesetzt werden.
- Der Dialog mit der Fachbehörde und den Fachpolitikern soll fortgesetzt werden. Dazu forderten die Anwesenden eine öffentliche Anhörung im Rathaus, bei der auch die Beschäftigten aller Bereiche der Kinder- und Jugendhilfe sowie die Nutzer:innen und Adressat:innen als Expert:innen in eigener Sache zu Wort kommen. Damit erinnerten sie auch an das Versprechen von SPD, CDU, Grünen und Linken, die vor kurzem für die neue Wahlperiode eine solche Veranstaltung öffentlich zugesagt hatten. Außerdem forderten die Anwesenden des Gipfel eine öffentliche Vorstellung der Ergebnisse der Umsetzung der 70 Empfehlungen der Enquete-Kommission. Auch diese war auf einer Veranstaltung des Kinderschutzbundes in Wilhelmsburg angekündigt worden und hat bisher nicht stattgefunden.
- Ein Auswertungstreffen des 2. Gipfels ist vereinbart. Das Netzwerk trifft sich am 15. April 2025 um 18 Uhr an der Uni Hamburg in der Fakultät Erziehungswissenschaft (Von-Melle-Park 8) in Raum 06 und freut sich über Interessierte.
Aufruf und Programm
„Die gesellschaftliche Lage ist geprägt von einer dramatischen Zunahme sozialer Ungleichheit, welche sich auch auf die Kinder‐ und Jugendhilfe auswirkt; die Budgets für Jugendhilfe, Bildung und Soziales stehen unter dem Druck von Schuldenbremse und steigenden Ausgaben für das Militär. Die sozialpolitischen Aufgaben wachsen, doch die Ressourcen fehlen. Nicht zuletzt eine gut ausgebaute und verlässlich finanzierte soziale Infrastruktur für Kinder, Jugendliche und Familien ist jedoch essentiell für die Umsetzung der Kinderrechte und die Weiterentwicklung einer demokratischen Gesellschaft.“

So hatten wir als Netzwerk am 3.5.2024 zum Kinder- und Jugendhilfegipfel unter dem Motto „Tu was, Hamburg!“ eingeladen und mit über 250 Personen über die aktuelle Lage und Handlungsmöglichkeiten für grundlegende Verbesserungen in den verschiedenen Feldern der Jugendhilfe diskutiert.
In der verabschiedeten Resolution haben wir Forderungen an die Bundesregierung, den Hamburger Senat und weitere politisch Verantwortliche sowie die Kolleg:innen in der Jugendhilfe und alle Hamburger:innen aufgestellt, die hochaktuell geblieben sind, wie: „Investitionen in den Sozialstaat statt für Militarisierung“, die „Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums und die Bekämpfung von Kinderarmut und jugendlicher Wohnungslosigkeit“! Für eine neue Handlungslogik: Menschen statt Kennzahlen! „Keine versteckten oder direkten Kürzungen in der Kinder- und Jugendhilfe“, sondern mindestens eine Verdopplung des Etats für die Offene Kinder- und Jugendarbeit, die Familienförderung und die Jugendsozialarbeit!
Seitdem haben wir eine ganze Reihe von Veranstaltungen begleitet und selbst organisiert, Forderungspapiere in Bezug auf den OKJA- und Kita-Bereich unterstützt, den Familienausschuss besucht und eine öffentliche Anhörung gefordert, neue Finanzierungsmodelle in der Jugendhilfe (wie Sozialgenossenschaften) diskutiert und mit einem Eckpunktepapier in Kooperation mit der Sozialbehörde konkrete Schritte zur Überwindung von Obdachlosigkeit junger Menschen angeschoben.
Die politische Polarisierung nimmt gegenwärtig zu und die Frage, in welche Richtung sich die Gesellschaft entwickelt, steht verschärft zur Debatte. In dieser Lage kommt es auf das Handeln aller an, die an einer demokratischen Entwicklung der Gesellschaft interessiert sind!
Die Kinder- und Jugendhilfe hat laut § 1, Abs. 3, Satz 5 SGB VIII den Auftrag, sich in andere Politikfelder zur Schaffung einer kinder- und familiengerechten Umwelt einzumischen. Diesen Auftrag wollen wir als Netzwerk weiter mit Leben füllen und gemeinsam Ansatzpunkte dafür in allen Feldern der Jugendhilfe ausmachen: in der Kita, in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, in der Jugendverbandsarbeit, in der Familienförderung, den Hilfen zur Erziehung, in den Jugendhilfeausschüssen und Stadtteilkonferenzen, lokalen AG 78 und darüber hinaus in neuen Formaten der Selbstorganisation wie Stadt(teil)versammlungen…
Der Kinder‐ und Jugendhilfegipfel soll an die aktuellen Debatten anknüpfen und dazu beitragen, sich zu vernetzen, auszutauschen und gemeinsame Handlungsperspektiven zu entwickeln. Es braucht sowohl die entsprechenden finanziellen Ressourcen für eine auskömmlich ausgestattete Kinder‐ und Jugendhilfe als auch einen gemeinsamen lösungsorientierten Diskurs für eine demokratische und emanzipatorische Ausgestaltung. Daran wollen wir gemeinsam weiter arbeiten!
Programm
9:00 Uhr Ankommen
9:30 Uhr Eröffnung und Vorstellung der Workshops
Begrüßung: Helga Treeß (Arbeitskreis Kinder, Jugend und Bildung der Patriotischen Gesellschaft von 1765 e.V.)
10:15 – 11:45 Uhr Workshops
1.) Prekäre Arbeitsbedingungen in der Kinder- und Jugendhilfe und Herausbildung eines gemeinsamen Berufsverständnisses
Prof. Dr. Nikolaus Meyer (Uni Fulda), Kerstin Kubisch-Piesk (BAG ASD)
Moderation: Elke Wolfram-Lütjohann (Fachvorstand EBSA ver.di Hamburg) und Ronald Prieß (AK Kinder, Jugend und Bildung der Patriotischen Gesellschaft von 1765 e.V.)
2.) Die Verschärfung der sozialen Ungleichheit und Auswirkungen auf das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen
Prof. Dr. Michael Klundt (Hochschule Magdeburg-Stendal)
Moderation: Matthias Stein (LAG KiJu)
3.) Nachhaltige und vorausschauende Finanzierung vs. Schuldenbremse
Dr. Wolfgang Hammer (freiberuflicher Soziologe und Fachautor)
Moderation: Andreas Scheibner (Sozialratschlag)
4.) Verwirklichung der Kinderrechte und von Selbstorganisation in der Praxis – Jugendarbeit von Jugendlichen mit Jugendlichen
Kinderrechtebüro und Basement e.V./Jugendcafé
Moderation: Vera Koritensky (VKJH)
5.) „Kriegstüchtig“ werden? Für den Ausbau von Friedenspädagogik in der Jugendverbandsarbeit und an Schulen!
Helen Vogel (SJD – Die Falken Hamburg)
Moderation: Raoul Klein (FSR Soziale Arbeit), Florian Muhl (AKS Hamburg)
6.) Für die Einführung eines Zeugnisverweigerungsrechtes in der Sozialen Arbeit
Julian Einfeldt (Fanladen St. Pauli), Ole Schmieder (HSV-Fanprojekt)
Moderation: Varsenik Vardanyan (GEW, Fachreferentin im AB Tarif & Kinder- und Jugendhilfe) und Volker Vödisch (LAG Kindheit und Jugend)
11:45 – 12:00 Uhr Pause
12:00 – 13:00 Uhr Vollversammlung (Diskussion und Verabredungen zur Umsetzung der Resolution)
Moderation: Burkhard Plemper (Soziologe und Journalist)
13:00 – 14:00 Uhr Mittagspause
14:00 – 16:00 Uhr Podiumsdiskussion
Wie soll die Kinder- und Jugendhilfe weiterentwickelt werden? Wie gelingt der Ausbau von Beteiligungsmöglichkeiten und Selbstorganisation Jugendlicher? Wie sehen wirkungsvolle Schritt zur Bekämpfung von Kinderarmut aus?
Mit: Dr. Dirk Bange (Sozialbehörde), Anja Post-Martens (VKJH), Ronald Prieß, Klaus Wicher (SOVD) u.a.
Moderation: Prof. i.R. Dr. Michael Lindenberg